In Nordrhein-Westfalen entstanden in den letzten Jahren besonders viele der deutschen Coworking Spaces. Diese Entwicklung scheint sich zu ändern. Meint zumindest Peter Schreck, einer der einflussreichen Katalysatoren im größten deutschen Bundesland.
Peter war nicht nur an der Gründung der Gasmotorenfabrik in Köln-Deutz beteiligt, sondern startete auch die Regenschirm-Organisationen Coworking Cologne und Coworking Deutschland. Als Serien-Netzwerker und Coworking Enthusiast versuchte er die Bewegung weiter zu vernetzen und zu unterstützen.
"Ich surfte auf der Coworking-Welle in der Region, was eine Weile sehr gut lief. Ich versuchte, nicht nur die Space-Betreiber zu vernetzen sondern auch die Coworker. Aber plötzlich stoppte diese Welle. Es öffneten kaum noch neue, pure Coworking Spaces." Nachdem der vierte Coworking Space in Köln Anfang des Jahres eröffnete, zeigte sich beispielsweise die Kölner Start-up Bewegung überraschend unerfreut.
"Sie meinten, jetzt gäbe es schon zu viel Auswahl. Sie denken ganz anders als Selbstständige, durch die Brille eines Venture-Kapitalisten, die einen Platz für ihre Investitionen benötigen. Sie haben Angst, das die VCs sie nicht finden, wenn es keinen zentralen Start-up Space in Köln gibt. Sie realisieren noch nicht, dass es nicht nur um einen Arbeitsplatz, sondern um eine generell neue Form der Arbeit geht."
Ein Beispiel zeigt das vor kurzem eröffnete Clusterhaus, ein Ort, dass sich auf Start-ups konzentriert. Das Problem: es unterscheidet sich kaum von einem normalen Bürogebäude mit vielen Einzelbüros.
Ein anderes Problem sieht Peter Schreck in der allgemeinen Nachfrage. "Köln ist eine große Stadt mit einer Million Einwohnern, wenn nur 10.000 von ihnen ihre Hand heben und nach einem Coworking Space fragen würden, sähe es schon ganz anders aus, die Leute würden zuhören." Doch die meisten verstehen das Konzept bis heute nicht.
Coworking wirkt auf die meisten immer noch wie ein Fremdkörper, besonders in kleinen Städten. Wenn potenzielle Kunden in den Coworking Space kommen, fragen sie oft zuerst nach Privatbüros innerhalb des Coworking Spaces. Eine Reihe von Coworking Spaces bieten sie mittlerweile auch an, selbst wenn der Fokus weiterhin auf den gemeinsamen Arbeitsräumen liegt.
Wir besuchten letzte Woche sieben Coworking Spaces in vier Städten, die einen Überblick über die derzeitige Entwicklung in NRW geben:
Die Gasmotorenfabrik gründete ein Verein im März 2010 in einem Flügel einer alten Autofertigungsanlage. Der Raum ist komplett offen mit großen Fenstern zu jeder Seite, über die man einen Blick auf das gesamte Gelände erhält.
Der Coworking Space bietet derzeit für 20 Mitglieder eine Heimat. Die meisten arbeiten für Railslove, ein Softwareunternehmen, das der Gasmotorenfabrik derzeit den meisten Umsatz bringt und selbst zahlreiche Workshops und Veranstaltungen wie RailsGirls organisiert. Mit der Dingfabrik existiert daneben gleich ein Fab-Lab. Über Coworking Cologne arbeiten sie auch mit anderen Coworking Spaces in der Region oft zusammen, wie z.B. dem Betahaus.
Das Kölner Betahaus ähnelt sehr seiner Berliner Schwester. Das Design ist schlicht, aber hip. Ein Café liegt gleich hinter der Rezeption. Mit mehr als 75 Mitgliedern an 40 Tischen planen sie bereits an der weiteren Expansion. Derzeit verhandeln sie über neue Räume, die sich auf der gleichen Etage des Betahauses befinden.
Bei einem Spaziergang sieht man nicht nur freundliche Coworker. Die Tische ordneten sie so an, dass sich flexible und feste Arbeitsplätz abwechseln und permanente Mitglieder jederzeit neue Leute kennen lernen können.
Das Betahaus brachte neues Leben in das Gebäude. Die Nachbarn aus den anderen Etagen nutzen häufig das Café im Erdgeschoss. Für Una und Anna, die Gründerinnen, gehört es zu einem wichtigen Teil des Geschäftsmodells: "Für uns ist eine offene und freundliche Person am Eingang wichtig, damit wir alle Gäste persönlich begrüßen können und eine gute Atmosphäre bereits beim Eintreten entsteht."
Der Solution Space öffnete im Januar mit 14 Tischen am Brüsseler Platz, im Herzen des Kölner Nachtlebens. Der Name ist Programm. Die Gründer, Stefanie und Sebastian möchten ihre Mitglieder nicht nur miteinander verbinden, sondern in vielerlei Form unterstützen. "Und wenn wir es nicht direkt können, verbinden wir für sie mit andere Leuten, die ihnen weiterhelfen können", erklärt Sebastian.
Als Ansprechpartner sitzen sie täglich an ihren zwei permanenten Tischen. Ein offizieller Community Manager existiert noch nicht, aber derzeit benötigen sie auch keinen. Alle dreißig Mitglieder kennen sich untereinander: "Sie kennen ihre Name, die Projekte an denen sie arbeiten, manche sogar den Geburtstag anderer Mitglieder", sagt Stefanie und lacht dabei ein wenig. Sie kennt die Welt des Freelancing bereits seit mehr als zehn Jahren und weiß, wie wichtig es für den Job ist, dafür bestens mit anderen Leuten verbunden zu sein.
Obwohl sie erst im Januar mit dem Solution Space dabei sind, arbeitet das Paar bereits an einem zweiten, größeren Ausgabe, die bis Ende des Jahres eröffnen soll.
Bei den Kölner Zeiträumen lief es andersrum. Obwohl sie schon mehrere Jahre dabei sind, brachte es der offene Arbeitsraum nie zu großer Beliebtheit, zumindest keiner, die den Space hätte wirtschaftlich tragen können. Genauso erging es dem daran angeschlossenen Kindergarten und den Fitnessräumen. "Entweder mochten oder verstanden die Leute nicht unser Konzept.
Daher reduzierten die Kölner Zeiträume auf ihren gut laufenden Geschäftsbereich und bieten heute nur noch private Büros und Konferenzräume. Die Location funktioniert gut mit den sieben Unternehmen, die heute dort arbeiten. Die meisten kommen aus der nahen, suburban geprägten Umgebung zwischen einem Industriegebiet und einem Mittelklasseviertel, in denen viele Familien leben.
In weniger als einer Stunde geht es von Köln nach Düsseldorf. Hier öffnete vor mehr als einem Jahr mit Garage Bilk der erste Coworking Space der Landeshauptstadt. Sie sitzen in einem alten Garagengebäude im Stadtteil Bilk, die beide zusammen den Arbeitsräumen ihren Namen gaben.
Garage Bilk besteht aus drei verschiedenen Bereichen, einem Coworking Space, Start-up Büros und einem FabLab, welcher als gemeinnütziger Verein unabhängig läuft, den die Mitglieder aber ebenfalls nutzen können.
"Wir könnten auch zwei Coworking Areas besitzen", sagt Oliver Vaupel, der den Space managt, "aber die Leute fragten uns immer wieder nach privaten Büros, weshalb wir sie ihnen auch anbieten wollten." Sie befinden sich hinter farbigen Glas, die ein permanenten Regenbogen im Flur zu den einzelnen Büros erzeugen.
Ein weiterer Coworking Space startete vor kurzem mit K-LAN am Düsseldorfer Stadtrand, und zielen auf Selbstständige und Unternehmen aus dem IT- und Techbereich. Beide Zielgruppen möchte K-LAN in einem Arbeitsraum miteinander verbinden. In Kürze startet dazu eine Marketingkampagne, die auch Freelancer aus dem Zentrum und dem nahe liegenden Umland erreichen soll. Im K-LAN können sie direkt bei ihren Kunden arbeiten, die Unternehmen suchen ständig nach Talenten und finden sie so gleich im Space.
In der Stadt des neuen Serienmeisters der Bundesliga, in Dortmund, gibt es ebenfalls seit etwas mehr als einem Jahr eine Ständige Vertretung für Coworker. Sie öffnete im März 2011 als Nebenprojekt eines langjährigen Network- und Veranstaltungsunternehmen, das mit den neuen Räumen für sich und andere Unternehmer eine neue Heimat schuf. Ganz einfach, weil Coworking, Networking und Events prima zusammenpassen.
Der Coworking Space wurde kleiner als ursprünglich erhofft, weil auch hier der Bedarf an privaten Büros höher ausfiel. Trotzdem arbeiten Freelancer in den offenen Bereichen und Unternehmen in den privaten Räumen öfter zusammen, weil sie ihre Dienste gegenseitig in Anspruch nehmen.
Die Mitglieder profitieren ebenso von den Vorteilen, die ihnen die Verbindungen und Veranstaltungen des Mutterunternehmens bieten. Schließlich sitzen sie gleich daneben. Dazu gehören Messen, Designmärkte und Workshops. Zuletzt organisierten sie einen Pop-Design-Festival zusammen mit der Stadt Köln, in denen einige Mitglieder der Ständigen Vertretung sogar mit in die Organisation einbezogen waren.
Der Coworking Space liegt in einem Kreativviertel, das die Stadt Dortmund im Rahmen seiner Wirtschaftspolitik fördert. Die Ständige Vertretung ist hundefreundlich, im Gegenzug heißen auch die Hunde alle Besucher sehr freundlich willkommen.
Utopien heißen Utopien, weil sie nicht leicht zu verwirklichen sind. Das Ziel ist auch ein Weg, und der kann ziemlich lang sein, besonders wenn es um schöne, leerstehende Gebäude geht. Diese Erfahrungen machten auch die Gründer von Utopiastadt, die sich mächtig ins Zeug legten, ein Kulturzentrum und Coworking Space in einem alten Wuppertaler Bahnhof zu eröffnen.
Das Utopiastadt-Projekt begann mit dem Wuppertaler Magazin 'clownfisch'. Anläßlich der vierten Ausgabe, die 2010 zum Thema »Utopia« erschien, riefen sie mit der »Utopiastadt« eine Art Zukunftslabor aus, die in der Stadt entstehen sollte. Heute befinden sich im Bahnhof neben dem Coworking Space auch ein Tanzstudio und private Büros.
"Das offene Zusammenarbeiten über alle anderen Strukuren hinweg, war schon immer ein wichtiger Bestandteil von clownfisch. Es ging um die Verortung eines Netzwerkes, welches wir in mehreren Jahren aufbauten und das inzwischen über 500 Personen und über 200 Initiativen, Kooperationspartner und helfende Betriebe umfasst", sagt Christian Hampe, einer der Gründer der Netzagentur clownfisch, die den Coworking Space betreiben. Demnächst kommen ein Café und weitere Veranstaltungsflächen hinzu.
"Der verlassene Bahnhof bietet einen kreativen Ort, um über Utopien und neue Wege nachzudenken, wie man Gesellschaft, Politik und Kultur organisiert. Coworking ist ein wichtiger Teil davon, weil es offene Flächen für Arbeit und Kommunikation erlaubt. Es ist ein Bereich, der Menschen zusammenführt, unsere Netzwerke und unsere Ideen erweitert. Offene Räume stehen für einen offenen Geist."
Permanente Mitglieder zahlen einen geringen Preis, Tagestickets gibt es ab 10 Euro. Bei nur wenigen Stunden freuen sich die Betreiber umso mehr über kleine Spenden. Das gleiche gilt für genutzte Büromaterialien und Getränke. Es ist das erste Projekt entlang der alten Nordbahntrasse. Die Stadt Wuppertal baut hier an einem neuen Radfahrweg, der in Zukunft Rheinschiene, Ruhrgebiet und Bergisches Land miteinander verbinden und darüber neue Energien freisetzen soll.